Die Rosetta-Mission: Ein Meilenstein in der Kometenforschung
Die Rosetta-Mission der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) markiert einen historischen Meilenstein in der Erforschung unseres Sonnensystems. Als erste Raumsonde, die einen Kometen nicht nur passierte, sondern ihn begleitete und eine Landeeinheit auf seiner Oberfläche absetzte, revolutionierte Rosetta unser Verständnis dieser eisigen Himmelskörper. Die Untersuchung des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko (oft kurz „67P“ oder „Tschuri“ genannt) lieferte fundamentale Daten über die primordialen Bausteine unseres Planetensystems.
Missionsprofil: Eine zehnjährige Odyssee
Der Start der Mission erfolgte am 2. März 2004 an Bord einer Ariane-5-Rakete. Da keine Trägerrakete existierte, die Rosetta direkt zum Kometen hätte befördern können, war eine komplexe Flugbahn erforderlich.
Die Sonde nutzte insgesamt vier Gravitationsmanöver (Gravity Assists) – dreimal an der Erde und einmal am Mars –, um die notwendige Geschwindigkeit aufzubauen. Nach einer 31-monatigen Hibernationsphase (Tiefschlaf) im tiefen Weltraum erwachte Rosetta im Januar 2014 wieder zum Leben und erreichte am 6. August 2014 ihr Ziel: den Orbit um 67P.
Die Komponenten: Orbiter und Lander Philae
Die Mission bestand aus zwei spezialisierten Einheiten:
- Der Rosetta-Orbiter: Ausgestattet mit 11 wissenschaftlichen Instrumenten (darunter das Kamerasystem OSIRIS und das Spektrometer ROSINA) zur Analyse von Kometenkoma, Magnetfeld und Plasmaumgebung.
- Der Lander Philae: Ein 100 kg schweres Labor, entwickelt, um in situ Messungen direkt auf der Kometenoberfläche durchzuführen.
Die Landung auf 67P
Am 12. November 2014 schrieb die ESA Raumfahrtgeschichte: Philae trennte sich vom Orbiter und setzte zur Landung an. Die Landung verlief jedoch nicht nominal. Die Verankerungsharpunen lösten nicht aus, was dazu führte, dass Philae von der ursprünglich geplanten Landestelle „Agilkia“ abprallte.
Nach zwei weiteren Aufsetzern kam der Lander schließlich in einer schattigen Felsspalte namens „Abydos“ zum Stillstand. Trotz der ungünstigen Lichtverhältnisse, die das Aufladen der Sekundärbatterien verhinderten, konnte Philae etwa 64 Stunden lang arbeiten und 80 % der geplanten wissenschaftlichen Sequenzen zur Erde senden, bevor er in den Winterschlaf fiel.
Wissenschaftliche Durchbrüche und Erkenntnisse
Die Daten von Rosetta und Philae revidierten viele Lehrmeinungen der Kometenphysik.
1. Wasser und der Ursprung der Ozeane
Das Instrument ROSINA analysierte den Wasserdampf in der Koma des Kometen. Das Ergebnis war überraschend: Das Verhältnis von Deuterium (schwerem Wasserstoff) zu normalem Wasserstoff war auf 67P dreimal höher als in den irdischen Ozeanen. Dies deutet darauf hin, dass Kometen wie 67P vermutlich nicht die Hauptquelle für das Wasser auf der Erde waren. Der Fokus der Wissenschaft verschob sich dadurch stärker auf Asteroiden als potenzielle Wasserlieferanten.
2. Organische Chemie und Bausteine des Lebens
Rosetta wies komplexe organische Moleküle nach. Besonders signifikant war die Detektion von Glycin, einer Aminosäure, sowie von Phosphor, einem Schlüsselelement für DNA und Zellmembranen. Diese Funde stützen die Theorie der Panspermie, wonach Kometen essenzielle präbiotische Moleküle auf die frühe Erde gebracht haben könnten.
3. Die Form und Geologie
Bereits bei der Annäherung enthüllte sich die bizarr anmutende Form des Kometenkerns, die oft mit einer „Gummiente“ verglichen wird. 67P ist ein binärer Kontaktkörper, der entstand, als zwei separate Kometenkerne in der Frühphase des Sonnensystems sanft kollidierten und verschmolzen. Die Oberfläche zeigte sich extrem vielfältig mit glatten Ebenen, brüchigen Klippen und tiefen Gruben (Pits), aus denen Gasjets austraten.
Das Finale: Kontrollierter Absturz
Am 30. September 2016 endete die Mission operativ. Da sich der Komet wieder von der Sonne entfernte und die Energieversorgung der Sonde kritisch wurde, manövrierte das Kontrollzentrum Rosetta kontrolliert auf die Kometenoberfläche. Bis zum letzten Signal übermittelte die Sonde hochauflösende Nahaufnahmen und Gasanalysen aus unmittelbarer Bodennähe.
Fazit: Ein Archiv der Entstehungsgeschichte
Die Rosetta-Mission hat unser Wissen über Kometen von spekulativen Theorien zu harter Wissenschaft transformiert. Die gewonnenen Daten dienen noch heute als Referenz für das Verständnis der physikalischen und chemischen Prozesse während der Geburt unseres Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren.