Die Voyager Mission

Die Voyager Mission: Ein Erbe Jenseits der Heliosphäre

Der Start der Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2 im Jahr 1977 markiert den Beginn des größten und längsten Forschungsprojekts der NASA. Ursprünglich für eine kurze Erkundung der äußeren Planeten konzipiert, entwickelten sich die Missionen zur Voyager Interstellar Mission (VIM). Die Sonden sind die ersten menschengemachten Objekte, welche den interstellaren Raum erreicht haben. Sie senden weiterhin wichtige Daten zur Erde, wodurch das Verständnis des äußeren Sonnensystems, der Grenzen des Sonnen-Einflussbereichs und der Beschaffenheit des interstellaren Mediums grundlegend neu definiert wird.

Die Grand Tour: Nutzung der Himmelsmechanik

Der Erfolg der initialen Missionsphase, bekannt als „Grand Tour“, basierte auf einer seltenen, höchst günstigen Planetenkonstellation, die nur einmal alle 176 Jahre auftritt. Diese Ausrichtung ermöglichte den Sonden die Nutzung der Gravitationskraft eines Planeten zur Beschleunigung in Richtung des nächsten – ein als Gravity Assist oder Planetary Swing-by bekanntes Manöver. Diese Technik reduzierte die Flugzeit und den erforderlichen Treibstoffverbrauch drastisch und erlaubte eine umfassende Erforschung der Gasriesen.

Voyager 1 und Voyager 2 starteten im August bzw. September 1977 mit nur sechzehn Tagen Abstand. Obwohl Voyager 2 zuerst abhob, wurde Voyager 1 auf einer schnelleren Route platziert, sodass sie Jupiter und Saturn früher erreichte.

Phase I: Vorbeiflüge an Jupiter und Saturn (1979–1981)

Beide Voyager-Sonden waren mit hochentwickelten Instrumenten ausgestattet, darunter Kameras, Spektrometer, Magnetometer und Geräte zur Erfassung kosmischer Strahlung. Die Vorbeiflüge an Jupiter und Saturn lieferten detaillierte Nahaufnahmen und beispiellose wissenschaftliche Erkenntnisse.

Jupiter-System (1979)

Die Sonden bestätigten das extrem starke Magnetfeld Jupiters und entdeckten komplexe Wettersysteme. Die wichtigsten Erkenntnisse betrafen jedoch die Galileischen Monde:

  • Io: Voyager 1 identifizierte aktiven Vulkanismus – die erste Beobachtung vulkanischer Aktivität auf einem anderen Himmelskörper.
  • Europa: Die Sonden zeigten die glatte, rissige Eisoberfläche. Dies führte zur frühen Hypothese eines flüssigen subglazialen Ozeans.
  • Ringe: Zudem wurden neue, schwache Ringsysteme um Jupiter entdeckt.

Saturn-System (1980–1981)

Die Vorbeiflüge an Saturn dienten primär dem Verständnis der komplexen Ringstruktur und des Mondes Titan:

  • Ringstruktur: Die Sonden enthüllten tausende von Ringteilchen und den rätselhaften F-Ring, dessen Form durch die kleinen „Schäfermonde“ Prometheus und Pandora aufrechterhalten wird.
  • Titan: Voyager 1 führte einen nahen Vorbeiflug an Titan durch. Die Mission bestätigte die Existenz einer dichten, stickstoffreichen Atmosphäre, konnte die opake Dunstschicht jedoch nicht durchdringen. Dieses Manöver war strategisch notwendig und lenkte Voyager 1 aus der Ekliptik-Ebene heraus auf den heutigen, einzigartigen Kurs in den interstellaren Raum.

Phase II: Voyager 2s Einzigartige Bahn (1986–1989)

Aufgrund der Kursänderung von Voyager 1 zur Untersuchung des Titan setzte Voyager 2 die Grand Tour fort und ist bis heute die einzige Raumsonde, die sowohl Uranus als auch Neptun besucht hat.

Uranus-Begegnung (1986)

Voyager 2 enthüllte die ungewöhnlichen Merkmale des Eisriesen:

  • Achsenneigung: Bestätigung, dass Uranus auf der Seite um die Sonne kreist, was zu extremen jahreszeitlichen Schwankungen führt.
  • Monde und Ringe: Zehn neue Monde sowie ein komplexes, dunkles Ringsystem wurden entdeckt. Die Atmosphäre zeigte überraschend wenig sichtbare Strukturen.

Neptun-Begegnung (1989)

Die letzte Planetenbegegnung fand mit Neptun statt und schloss die Grand Tour ab:

  • Atmosphärische Merkmale: Voyager 2 entdeckte den Großen Dunklen Fleck, ein massives Sturmsystem auf der südlichen Hemisphäre, vergleichbar in der Größe mit dem Großen Roten Fleck Jupiters.
  • Triton: Der Mond Triton wies eine außerordentlich kalte Oberfläche auf, besaß jedoch aktive Stickstoff-Geysire, ein Hinweis auf geologische Aktivität.
  • Bahn: Der Gravitations-Assist nach dem Neptun-Vorbeiflug lenkte Voyager 2 nach Süden ab und setzte sie auf einen zur Voyager 1 parallelen Kurs zur Grenze der Sonnenblase.

Die Interstellare Mission (VIM): Reise jenseits des Sonneneinflusses

Nach dem Abschluss der Planeten-Vorbeiflüge sind beide Sonden auf der Voyager Interstellar Mission (VIM) unterwegs. Ziel ist die Kartierung der äußeren Bereiche der Heliosphäre und die Charakterisierung des Interstellaren Mediums (ISM).

Die Überquerung der Heliopause

Die Heliosphäre ist die magnetische Schutzblase, die durch den nach außen strömenden Sonnenwind erzeugt wird. Die Grenze, an der der Sonnenwind durch die Gase und Magnetfelder der Galaxie gestoppt wird, wird als Heliopause bezeichnet. Die Überquerung dieser Grenze ist das Hauptziel der VIM.

  • Voyager 1 überquerte die Heliopause offiziell im August 2012 in einer Entfernung von etwa 121 Astronomischen Einheiten (AU) und trat in das lokale interstellare Medium ein.
  • Voyager 2 folgte im November 2018 in einer Entfernung von rund 119 AU und bestätigte die Ergebnisse von Voyager 1.

Die Daten der noch aktiven Instrumente (Plasma Science Subsystem, Cosmic Ray Subsystem, Magnetometer) liefern einzigartige In-situ-Messungen des ISM. Sie melden eine deutliche Zunahme der galaktischen kosmischen Strahlung und eine signifikante Änderung der Richtung und Stärke des Magnetfelds außerhalb der Heliosphäre. Diese Informationen unterstützen die Modellierung der Wechselwirkung zwischen dem Sonnensystem und der Galaxie.

Die Goldene Schallplatte: Eine Botschaft an den Kosmos

An beiden Raumsonden ist die Voyager Golden Record befestigt, eine Zeitkapsel, die jedem intelligenten außerirdischen Leben, das die Sonden abfangen könnte, die Geschichte der Erde kommunizieren soll. Die vergoldete Kupferschallplatte enthält Klänge und Bilder zur Darstellung der Vielfalt des Lebens und der Kulturen auf der Erde, darunter Musikstücke, Naturgeräusche (Wind, Donner, Tiere) und Begrüßungen in 55 verschiedenen Sprachen. Unabhängig von ihrem kulturellen Wert symbolisiert die Platte die tiefe menschliche Neugier.

Energieeinschränkungen und Missionsende

Die Voyager-Sonden werden durch Radioisotopen-Thermoelektrische Generatoren (RTGs) mit Energie versorgt, welche die Wärme aus dem Zerfall von Plutonium-238 in elektrische Energie umwandeln. Die Leistungsabgabe verringert sich jährlich um etwa vier Watt. Zur Aufrechterhaltung der Funktionalität schalten Ingenieure systematisch Instrumente und Heizungen beider Sonden ab.

Im aktuellen Jahrzehnt sind nur noch wenige Instrumente in Betrieb. Schätzungen gehen davon aus, dass Voyager 1 und Voyager 2 die Kommunikation mit der Erde voraussichtlich zwischen 2025 und 2030 vollständig einstellen werden. Bis dahin wird die Leistungsfähigkeit nicht mehr ausreichen, um die verbleibenden Instrumente zu betreiben und den Funkempfänger ausreichend warm zu halten.

Vermächtnis und Zukünftige Bahn

Auch nach dem Ende der Kommunikation setzen die Sonden ihre Reise lautlos fort. Sie steuern keinen bestimmten Stern an, aber in etwa 40.000 Jahren wird Voyager 1 in 1,6 Lichtjahre Entfernung am Stern Gliese 445 vorbeifliegen; Voyager 2 passiert den Stern Ross 248 in 1,7 Lichtjahre Distanz. Das bleibende Vermächtnis des Voyager-Programms liegt nicht nur in den beispiellosen Planetenentdeckungen, sondern auch in ihrem Status als erste wahre Botschafter der Menschheit zu den Sternen. Das Programm ebnete den Weg für zukünftige interstellare Missionen.